Es fährt ein Zug nach Osnabrück – März 2020

*Auf der schwäbschen Eisenbahne… is die Winnie noch nie gefahre*
Macht’se auch heute nicht…
Aber unterwegs bin ich. Mit der Bahn.
Endlich mal wieder!
Ich liebe dieses DurchdieGegendfahren – dieses Gefühl der Freiheit…

Obwohl Freiheit ja relativ ist. Im Moment habe ich keine, zumindest keine körperliche.
Ein sehr kräftiger Mann hat sich neben mich gesetzt und zwängt mich in meiner Fensterecke ein.
Dabei ist der ganze Zug leer.
Aber er hat reserviert… kann man nix machen.
Meine Musik ist ihm auch zu laut. Hat er vorwurfsvoll vor sich hingemurmelt.
Dabei habe ich noch gar keine an. Nur die Kopfhörer schon auf.
Das ist jetzt echt blöd für ihn. Denn nun mache ich extra laut.
Ich teile gern.
Und nett kann ich auch.
Er könnte sich ja wegsetzen, aber…
… er hat ja reserviert.
Ist wohl nicht sein Tag heute. Meiner aber auch nicht!

Grundsätzlich hätte ich nichts gegen einen Platzwechsel.
Fremdnähe ist nicht so meins.
Aber ich habe mich jetzt in eine echt unlösbare Situation gebracht.
Mit meinem blöden Sturkopf!
Ich stecke fest, zwischen fleischigem Ellenbogen und verknülltem Ladekabel,
vom Körpergeruch meines SitzNachbarMenschen total benebelt.
Ha… Er nimmt seine KloAuszeit.
Meine Fluchtchance! Genutzt und meine Beinfreiheit woanders gesucht und gefunden.

Jetzt sitze ich in der Nähe vom Familienabteil.
Dieses Abteil, in dem man Eltern mit ihren Kids einpfercht, damit sie nicht nerven.
Kennt ihr, oder?
Nett gemeint, liebe Bahn.
Aber Kinder, das sind diese Menschlinge, die im Ruheabteil laut lachen wollen,
die durch die Gänge hüpfend sich an jeder Lehne abschieben oder singen.
Also, solche wie ich, nur in klein.
Die kann man gar nicht einsperren, isolieren oder verstecken.
Die tauchen unerwartet irgendwo auf.
Einfach so. Immer!

Ich muffle mit lauter Musik auf den Ohren, Schokolade in mich hinein.
Absolute Freiheit unterwegs, auch im Kalorienbereich.
Frau lebt schließlich nur einmal.
Plötzlich steht da so ein kleiner Menschling neben mir: “Will auch!”
Ihr wisst, ich teile gern. Musik, Schokolade, good vibes – egal, alles wird geteilt.
Wir muffeln also grinsend und gemeinsam vor uns hin.
Bis plötzlich ein Kreischen ertönt.
Unlokalisierbar – eine schrille Stimme von irgendwo hinter uns:

“DET SCHEEEEMIEEEE DARF DET SCHOKI NET!!!”

Himmel, bin ich erschrocken. Mein kleiner Mitesser guckt auch total panisch.
Was ist das denn?!
Auf meinen fragenden Blick schreit es noch ein paar Dezibel lauter:

“DET SCHEEEEMIEEEE…” wildes Händefuchteln in meinem Gesichtsbereich… “DARF DET SCHOKI NET!!!”

Ähmm… Das hatte ich akustisch schon beim ersten Mal verstanden.
Aber ich such noch nach dem Sinn der Aussage. Das ist vegane Bioschokolade.
Nix mit Chemie. Will ich gerade erklären, werde aber unsanft unterbrochen:

“DET CHEMIE HAT EN ALLERSCHIE. WECHEN DET SSUCKER”

Ahhh…verstehe:
Kind heißt Jamie und hat eine Zuckerallergie.
Gibt es so etwas? Armes Kerlchen.
Mitfühlend schenke ich ihm meine garantiert zuckerfreie Gummibärenkostprobe vom Bioladen.

Zwei Omis gegenüber schütteln mit dem Kopf. Gab es früher bei ihnen nicht, solche ALLERSCHIEN.
Bei mir auch nicht und mein Früher ist noch nicht so lang her.
Mag ich aber jetzt so auch nicht ausdiskutieren. Also Kopfhörer aufgestülpt.

Irgendwo… ganz leise… bellt es…
Spinne ich jetzt total? Hab ich vielleicht doch ne ALLERSCHIE? So mit Hallus?
Nein, wirklich ein Hund. Gerade eingestiegen.
Mir bleibt echt nichts erspart. Aber dem kraule ich nicht das Bauchfell… nö, nö, nö…
Da kann der noch so süß…
Ach verdammt, schon hocke ich neben Wauzi im Gang. Und kraule Bauchfell.

Ich liebe Bahnfahren! Endlich, die Durchsage: Hannover. Ich muss umsteigen.
In den Zug nach Osnabrück, dort findet frau angeblich Glück.
2 Stunden Fahrt. Ich bin gespannt!

Empfohlene Artikel

Kommentar verfassen