Wir wohnen jetzt seit 6 Jahren in unserer Wohnung.
Da wird es mal Zeit zu renovieren. Sagt der LieblingsIngo. Steht auch so im Mietvertrag.
Noch vor ein paar Jahren wären wir jetzt umgezogen, aber hier in Günthersdorf gefällt es uns.
Sagt auch der LieblingsIngo.
Ich bin mir noch nicht richtig sicher, tendiere aber auch eher zum Hierbleiben.
Und zu Farbe an den weißen Wänden.
Es ist also schon wieder eine Einkaufstour fällig, diesmal ins Männerparadies Baumarkt.
Der LieblingsIngo schlendert mit leuchtenden Augen durch die Gänge…
Werkzeuge, Silikon, Schrauben, Bretter…
Ich schlurfe unmotiviert hinterher. Es riecht komisch und ist total langweilig.
Vor den Bohrhämmern bleiben wir stehen. Welchen er nehmen soll?
Ja, was weiß ich denn! Den orangenen vielleicht? Braucht man zum Renovieren einen Bohrhammer?!
Was ist falsch an der Schlagbohrmaschine, die in unserem Keller ihr lichtloses Dasein fristet?
Da wird mir glatt mangelndes Interesse unterstellt. Dabei finde ich meine Frage durchaus berechtigt! Hui, LieblingsIngos Laune passt sich meiner an. Nach fast 26 Jahren geht das fast automatisch.
Der Bohrhammerkauf wird vertagt.
Wegen mir! Auch gut.
Wir trotten weiter… zur Farbe, ihr erinnert euch, wir wollen ja renovieren.
Ich bin eher pragmatisch und tendiere zu fertig gemischter Farbe.
Aktuell gefällt mir Muschelgrau oder Vanillebisquit – Strand oder Kekse, yeah.
LieblingsIngo verleiert die Augen und murmelt etwas von Wucherpreisen und selbermischen.
Ich werde zur weißen Farbe geschickt,
LieblingsIngo will sich um Schimmelex, Abtönpaste und Pinsel kümmern.
Da steh ich also – Winnie allein vorm Farbenregal.
Baumarkthoch und mindestens 100 Meter lang – bestückt mit weißer Farbe.
* Easy weiß * polar weiß * naturweiß * arcticweiß * projectweiß * wisch und weg weiß * muschelweiß * Kieselstrandweiß * Nebelzauberweiß * *Wolkenreiseweiß *
und das alles für glatte, raue und grobe Wände.
Aha!
Wo genau ist da jetzt der Unterschied zwischen Nebelzauber und Wolkenreise?
Und was sind grobe Wände?
Ich fühle mich ein bisschen verarscht.
Weiß ist weiß, oder? Und die grobe Wand wird bei uns von Tapete überdeckt.
Ich werde mich mal beraten lassen.
Suchend schaue ich mich um.
Wo ist denn mal ein(e) Baumarktfarbenfachberatungsangestellte(r), wenn man ihn oder sie braucht. Wahrscheinlich haben sie gerade Wichtigeres zu tun, als sich um mein WeißeWändeproblem zu kümmern. Verstehe ich voll und ganz – ich hätte ja auch lieber muschelgraues Vanillebisquit.
Der LieblingsIngo ist in den Tiefen des Baumarktdschungels verschwunden.
Shit!
Ich bin echt frustriert! Vielleicht sollten wir doch lieber umziehen?
Ob Heulen hilft?! Oder auf die Erde werfen und strampeln?
Hat früher ja immer funktio…

Aaaaaahhhhhh, schaut mal – die Dekoabteilung.
Tapeten mit Sternchen – Glitzerbildchen – Wandtattoos – so weit das Auge reicht!
Eigentlich ist es doch viel einfacher, die Wände zu tätowieren.
Und sauberer.
Geht auch schneller.
Ich verfalle in Mädchenglitzermärchentrance – mitten im Männerparadies.
Udo Lindenberg dudelt leise und dezent im Hintergrund, sogar mein Lieblingslied –
das wird mein Lieblingsbaumarkt.
Aber…
Mein Handy holt mich aus den Dekoträumen. Mit dem UdoLieblingslied.
Von wegen dezente Hintergrundmusik – 5 Anrufe in Abwesenheit
Der LieblingsIngo, leicht angesäuert, fragt wo die weiße Farbe bleibt und wo ich stecke.
In dieser Reihenfolge!
Er hat jetzt alles beisammen und bräuchte mal meine Meinung zur Abtönpaste.
Ich will aber keine Abtönpaste! Sag ich ihm und setze mich demonstrativ vor’s Wandtattookörbchen.
So sitzstreikmäßig. Mein Plan geht auf, heute gibt der LieblingsIngo auf.
Ich bekomme mein vanilliges Bisquitbad mit Wandtattoo.
Dorthin kommt man durch meinen bald muschelgrauen Flur.
Der LieblingsIngo hat seine Ruhe… und seinen Bohrhammer.
Den orangenen.
Gefeiert haben wir unsere Einkäufe mit TankstellenKaffee im HeimwegStau.