Es geschah im Sonnenweg

Neulich hatte der LieblingsIngo Nachtschicht.
Das hieß mal wieder: Winnie – allein zu Haus.
Die ganze, lange, dunkle Nacht.
Und als wäre das nicht beängstigend genug,
zog ich mir einen Horrorfilm rein.

Ich neige ein bisschen zur Selbstverängstigung.
Aber ich liebe diese subtilen Geistergeschichten
von alten Flüchen über geheimnisvollen, dunklen Landsitzen.
Untermalt von schwerer, tragender Musik und flackerndem Kerzenlicht tauchen urplötzlich Schattengestalten auf,
aus dem Nichts sozusagen und zwingen die Held*Innen dazu,
barfuß, im Nachthemd, gern auch mal laut schreiend
– aber auf jeden Fall immer ohne Licht –
in den Keller zu trampeln.
Genau mein Ding.

Auch wenn das niemand vermutet,
so wie ich vorm Fenster in die Welt hocke:
Kapuze vorm Gesicht, Hände auf den Ohren,
ein Kissen auf den hochgezogen Knien
(vorsichtshalber, falls die Kapuze nicht reicht).


Ich behaupte immer, diese Art Filme zu schauen, entspannt mich total.
Das ist natürlich Blödsinn. Ich bin total angespannt!
Lausche in die gespenstische Stille im Fenster zur Welt in Erwartung des schrecklichen Unheils, welches die Heldin gleich…

ES RASCHELT!
Nicht im Fernseher.
Im Zimmer. In meinem Wohnzimmer. In Echt.
Aaahhhh 😱

Ich starre panisch in Richtung Fenster.
Shit, ich habe vergessen, die Jalousie hinunter zu lassen.
Dieses in die Dunkelheit starren, mindert meine Angst jetzt nicht unbedingt.
Flach auf dem Boden liegend lausche ich angespannt.
Nix.
Langsam richte ich mich wieder auf.
Lächle ein bisschen und schaue vorsichtig in den dunklen Garten.
Immer noch nix.
Da habe ich mich wohl etwas hineingesteigert.

DOCH… Da… wieder… RASCHELN… WISPERN…

AAAAAHHHHH… Mir reichts!
Ich springe auf und flüchte ins Schlafzimmer unter meine Bettdecke.
Ist schließlich wissenschaftlich erwiesen,
dass mich dort kein Monster und auch kein Meuchelmörder findet!
Mist! Aus dem Wohnzimmer dudelt unheimliche Musik und der Bewegungsmelder im Flur spielt total verrückt:
an, aus, an, aus
Ich liege zitternd im Bett wie eine Zehnjährige – blöde Gruselfilmschauerei!
Fernseher und Licht bleiben an – mich bekommt keiner noch einmal in das Wohnzimmer!

Am nächsten Morgen ist alles vergessen.
Das Fenster zur Welt hat der LieblingsIngo bestimmt ausgemacht,
als er nach Hause kam. Und das Licht auch.
Ich hör ihn schon wieder spotten –
so von wegen Wer Schiss hat, sollte keine Gruselfilme schauen.

Weil der LieblingsIngo seinen fehlenden Nachtschlaf nachholt,
heißt es für mich: Putzen verboten 🤷‍♀‍
Ist mir recht, ich kuschele mich sowieso lieber gemütlich lesend
im Sessel zusammen.

Plötzlich…
RASCHELN!
Links schräg über mir!
Im Jalousiekasten.
Nicht schon wieder!
Vorsichtig klopfe ich dran.
Stille.
Da! Wieder!
Rascheln.
Klopfen.
Stille.

Wenn es hell ist, grusele ich mich nicht.
Okay, wenn ich alleine bin, vielleicht doch ein bisschen.
Aber nicht so doll. Nur so ein wenig Kribbelangst.
Ist trotzdem unheimlich, dieses Rascheln!
Was soll ich jetzt tun? Den Kasten aufschrauben?

Ähm…nöööö…lieber nicht.
Das überlasse ich dann dem LieblingsIngo.
Der wird ja jetzt hoffentlich nicht den ganzen Tag verpennen.
Während ich noch überlege, doch ein bisschen Lärm zu machen,
indem ich…ähm…vielleicht…putze…

Rummsss. Knall. Peng. Rattern.

Das Rollo knallt runter. Von alleine. Einfach so.
Ich kreische los. AaaaaaahhhhhAaahhhh 😱
Es spukt definitiv im Sonnenweg.
Am Tag!

Der LieblingsIngo springt halb angezogen
mit aufgerissenen Augen ins Zimmer. Ich muss lachen.
Wie ein Ritter ohne Rüstung und Waffe eilt er zu meiner Rettung.
Mein Held 💛

Das Raschelproblem vertagen wir dann doch erstmal
auf nach dem MittagsMorgenKaffee.
Wenn der LieblingsIngo neben mir sitzt, habe ich keine Angst.
Vorsichtshalber setze ich mich aber doch lieber auf die Couch.
Die ist ein Stück vom Horrorfenster entfernt.

Frisch koffeiniert bauen wir das Teil auseinander.
Bäh… Staubknäuel und Steinchen fliegen mir um die Ohren.
Und so kleine schwarze Küllerchen.
Zum Glück habe ich vorhin doch noch nicht geputzt.
LieblingsIngo begutachtet die Küllerchen und grinst.

Mäusekacke!
Also ein Mäuschen und kein Gespenst hat sich da oben eingerichtet.
Richtig mit Kuschelecke und Vorratskammer.
Und als Bettzeug dient das Jalousiezugband.
Dieses kleine, süße Ding hat mir einen solchen Schrecken verpasst?!
Bin ich ein Weichei!

Ein neues Zugseil hat der LieblingsIngo schon mal besorgt.
Häh? Seit wann weiß der denn schon von unserem Untermieter?
Mühsam und unter nicht jugendfreier Flucherei puzzeln wir uns durch.
Geduld ist nicht unsere Stärke.
Endlich wird’s wieder hell im Sonnenwegwohnzimmer.

Zu kurz

Denkste!!!!!
Nur ein kurzer Lichtblick…
dann knallt – bummt- pengt es wieder nach unten, das JalousieShitding!
Das Zugband ist zu kurz.
1:0 für Jerry, die Maus! Ich grinse vorsichtshalber innerlich.
Der LieblingsIngo ist gerade nicht in Stimmung für Spott und Häme.
Aber ich höre das Mäuschen vor Schadenfreude kichern, echt wahr!

Notdürftig wird das Rollo festgemacht.
Kennt ihr bestimmt – die berühmte Schraubendreherfeststellmethode!

Schraubendreherfeststellmethode


So müssen wir den Sonntag nicht im Schattenreich verbringen.
Repariert wird morgen.
Vielleicht…
denn Jerry, die Maus muss ja erst einmal ausquartiert werden.

Aber wie?
Der LieblingsIngo (als Dorfkind) plädiert für eine Mausefalle.
So eine, die mit Speck gefüllt wird und guillotinemäßig
auf Jerrys Köpfchen knallen soll.
Der spinnt wohl, der LieblingsIngo!
Für eine Hausbesetzung gibt es doch keine Todesstrafe!
Wenn es unbedingt eine Falle sein muss – dann doch bitteschön eine,
die das Jerry- (Mäuschen) lebendig fängt!
Der LieblingsIngo sucht im Internet.
Lebendfallen sind zu groß für das JalousieKastenMaushaus.
Dann bleibt der Jerry eben da wohnen!
Umgebracht wird er jedenfalls nicht!

Hat jemand von euch eine Idee,
wie ich das Mäuschen von einem Umzug in den Schuppen überzeuge?
Kündigung wegen Eigenbedarf akzeptiert sie nicht.
Auf kostenlosen Umzugsservice und Einbauküche
lässt sich Jerry auch nicht ein.
Der andere Mieter im Schuppen passt nämlich nicht!
Okay, Igel Dieter ist wirklich nicht der angenehmste Nachbar.
Doch der wohnt da nun schon das dritte Jahr.
Da muss sich Jerry Mauskewitz eben mal arrangieren, bitteschön!

Heute ist Mittwoch und das Problem Jerry hat sich von selbst erledigt.
Ich bin wirklich ein bisschen traurig über Jerrys Ende.
Ich weiß nicht, was der LieblingsIngo dem Nachbarskater Carlo bezahlt hat.


Carlo hat heute morgen jedenfalls fein säuberlich
Jerrys leblosen Körper auf unserer Terrasse deponiert.
Beerdigung und Grabstein blieben natürlich an uns hängen. Also an mir.
R.I.P Jerry Mauskewitz

Aber das Leben geht weiter.
Ich kann mich nun wieder mit voller Aufmerksamkeit dem Kleinkrieg mit Herrn Amsel widmen.
Um die Benutzung unserer gemeinsamen Terrasse.
Seit 6 Jahren schreien wir uns jeden Morgen an!
Dieter, der Igel rumpelt unter dem Schuppen hervor
und wühlt die frische Erde auf.
Das nennt man wohl Nachbarschaftshilfe, denn so
kommen die Sonnenwegspatzen besser
an den vom LieblingsIngo frisch ausgeworfenen Grassamen.
Sie bedanken sich laut tschilpend
und stürzen sich kopfüber von der Kringelweide.
Alles wieder gut, ohne Spuk – im Sonnenweg!

Puh, wer wollte eigentlich aufs Dorf ziehen?!

4 Kommentare

  1. 👻😨🐭🥰🐱👫
    Ganz zauberhaft geschrieben liebe Winnie. Danke das Du mich zum Schmunzeln gebracht hast. Besonders die Stelle als Du ins Bett geflüchtet bist 😅

    1. Ich hätte jeder Gruselfilmheldin Konkurrenz gemacht 😂

  2. Herrlich. Du solltest ein Buch schreiben. Winni ich würde es jedem empfehlen.
    Schön gelacht habe ich jetzt

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