Im Palmengarten
(in dem übrigens keine einzige Palme steht, ich habe das kontrolliert!)
geht es ganz ruhig zu.
Ein paar Jogger*Innen, ein paar Familien und vereinzelt mal ein Hund.
Dachte ich.
Mitten in meinen Mittagsgedanken nehme ich ein leises Knurren wahr. Ich schaue vor mich hin und sehe…
ein niedliches Hundchen (ungefähr Kalbgröße) mit blitzenden Zähnchen vor mir.
Geh ich nach rechts, kommt er mit. Geh ich nach links folgt er mir ebenso.
Knurrend.
Mit gezeigten Zähnen. Sieht aus, als grinst der hämisch.
Mist, rückwärts die Biege machen kann ich auch nicht – da ist Wasser.
Die Luppe, glaub ich.
Aber egal, wie das Gewässer heißt, im Dezember ist es
einfach keine Fluchtoption!
Vorsichtig drehe ich den Kopf – weit und breit kein Mensch.
Was mach ich denn nun?
Heulen? Schreien?
Das Hundkalb setzt sich und beäugt mich misstrauisch.
Auf *gutes Hundchen, ich tu dir doch nichts* fällt er nicht rein.
Habe ich wohl nicht überzeugend genug rübergebracht.
Wir starren uns an.
Wie war das eigentlich? Guckt man einem Hund in die Augen, oder lieber nicht? Rennt man weg? Erstarrt man?
Shit, kann jetzt vielleicht mal jemand kommen?
Oh, da drüben… Hilfe naht!
Ich schaue genauer hin. Ahh, wohl eher doch nicht.
Ein winziges Männchen kommt ganz bedächtig den Weg entlang.
Ich will ihm zurufen, ihn warnen – da ist er auch schon neben mir beugt sich ein bisschen und säuselt::
„Da is ja mein Hektorschen!“
HEKTORSCHEN?! Geht es noch?! Das Hundekalb ist doch kein „-chen“!!
Er klickt die Leine am Halsband fest und spaziert,
mit (dem nun etwas weniger gefährlichen) Hektorschen von dannen.
Kein Wort zu mir… er ignoriert mich so vollkommen, dass ich mich kneife…nur zur Sicherheit.
Vielleicht hat mich Hektorschen ja aufgefuttert und ich habe es nicht bemerkt! Autsch – nee, ich bin noch da. Und stocksauer.
Aber dann muss ich lachen – Hektorschen, tsssss … also wirklich…
Anderer Tag – gleicher Ort.
Heute chille ich auf dem Spielplatz.
Ich liege auf dem goldenen Elefantenrüssel und genieße…
die Stille, die frische Luft…als es plötzlich gar nicht mehr still ist:
“ Pauline, bleib stehen…BITTE!“ kreischt es hinter mir.
Ich schrecke hoch. Ein Mädchen, so um die 5,
rast mit einem Affenzahn über die Wiese.
Mama ruft hinter ihr her – ein Baby im Tragetuch und sichtlich verzweifelt. Auf der Schaukel hockt der Dreijährige und heult.
Herz zereissend. Und laut. Ich rappele mich hoch und überlege. Eine kleine Läuferin einzufangen, dafür reicht meine Kondition nie und nimmer.
Außerdem kommt das nicht gut, so als Fremde hinter einem Kind herzujagen, oder?
Also stapfe ich zur Schaukel:
„Soll ich dich anschubsen bis Pauline wieder da ist?“
Erst ein skeptischer Blick zu Mama, dann ein Nicken,
bei dem der Kopf fast runter fällt. Mama packt das Baby in den Fahrradanhänger, schiebt ihn in meine Richtung und blinzelt mich an:
„Danke, dass du das machst. Das sind Jonas und Marie.
Pauline fange ich jetzt ein.“
Und schwupps – saust sie los, ebenso flink wie Pauline.
Die beiden laufen Kreise auf der Wiese und lachen laut.
Jonas und ich staunen Bauklötze – so schnell sind die beiden.
„Kannst du mich jetzt endlich abschubsen? Aber nich so hoch…“
erinnert mich der Kleine und ich schaukele Jonas
und nebenbei auch noch Marie.
Die Mama heißt Justine und studiert Theaterwissenschaften.
Und malt. Und singt. Nächste Woche treffen wir uns wieder.
Mit Abstand. Und Kaffee….
Warum der Palmengarten keine Palmen hat?
Das kann ich euch zeigen:
Weil es in Leipzig den Palmendieb gibt! Logisch, oder?
Heute ist ein merkwürdiger Tag.
Ich habe acht Stunden und zwölf Minuten geschlafen.
Und bin trotzdem vor meinem Wecker aufgewacht.
Über 8 Stunden, wo kommt nur dieses übermäßige Schlafbedürfnis her?!
Wahrscheinlich bin ich so ein Winterschlaf- Typ.
Mein Kritzel – Ich schaut heute nicht. Ich mag keine Augen malen.
Sieht unheimlich aus.
Ich kritzele sie schnell noch in mein Coronamalbuch.
Der Morgenspaziergang macht auch keinen Spaß.
Ich muss aufpassen, mich nicht auf den Allerwertesten zu setzen. Waldwege sind nass und rutschig, wenn es regnet.
Habt ihr das gewusst?
Kurz vor dem Tor zu unseren Hinterhof fliegt mir eine Zeitschrift entgegen und bleibt aufgeschlagen vor mir liegen.
„Mit Geld lieben, vertrauen, anerkennen.“ schreit sie mir entgegen.
Also so optisch.
Häh?
Wie liebt man denn mit Geld?
Bäh, das klingt nach Schweinkram…
Während ich darüber nachdenke, knalle ich fast vor ein Straßenschild. *Smile* springt mir ins Auge.
‚Mit dieser Botschaft kann ich etwas anfangen‘,
denke ich grinsend vor mich hin.
Und setze mich an den Schreibtisch.
Kurz vor Mittag fällt mir meine völlig zugekritzelte Schreibtischunterlage auf.
Hm, so kurz vor Weihnachten könnte ich die auch mal erfrischen.
Aber da stehen so schöne Zitate drauf…von Angela Doe und Glennon Doyle. Also pinsele ich die schnell neu.
Beim Wasser aufsetzen für meine mittägliche Fastengemüsebrühe
stelle ich fest – Gemüsebrühe ist aus.
So ein Shit!
Dann werde ich eben mal schnell zum nächsten Supermarkt huschen. Gemüsebrühe beschaffen.
Gedacht, getan.
Kurz vorm Eingang liegt eine aufgeschlagene Zeitschrift.
Das ist jetzt aber wirklich unheimlich!
Diesmal bekomme ich die Botschaft:
*Schuhe verändern Dein Leben*.
Schuhe?
Während ich noch versuche, gedanklich Geldliebe und Schuhe in Einklang mit meiner Zukunft zu bringen,
werde ich abrupt gestoppt. „Ohne Korb kein Eintritt!“
Huch, habe ich doch glatt den Wagen ver…äh…da ist keiner.
Alle Einkaufswagen weg.
Das heißt, der Laden ist rappelvoll.
Jaha, es ist eine blöde Idee bei einem Shutdown mittags mal „kurz“ Gemüsebrühe kaufen zu wollen.
Im einzigen Supermarkt der Gegend.
Winnie hat den Wink verstanden!
Ich drehe wütend ab und gehe einfach los.
Hab ja jetzt Zeit… Dachte ich.
Ich stapfe vor mich hin, in der Hoffnung, irgendwo einen anderen Gemüsebrüheladen zu finden.
Ist doch eine dicht besiedelte Gegend hier.
Da kann es ja nicht nur einen…
Moment – wo ist HIER eigentlich?!
Ich schaue mich suchend um, und stelle fest:
Nein, hier war ich definitiv noch nie!
Wisst ihr, was ein Optiohomist ist?
Ein OptiOHhneOrientierungssinnMist:
Sie laufen einfach los.
Ohne vorher zu gucken. Immer gut gelaunt.
Fotografieren jeden Scheiß.
Und verfransen sich, so ca. 100 Meter von ihrem gewohnten Umfeld,
so völlig und endgültig,
dass nicht mal Google zurück findet.
Aber ihrer guten Laune tut das keinen Abbruch.
Sie laufen und laufen – immer der Nase nach.
Bis sie etwas wiedererkennen.
Also solche Menschen wie ich.
Mittagspause – irgendwo in Lindenau:
Ich bin in einer mir völlig fremden Straße.
Den Namen habe ich schon einmal gehört, aber ich habe keinen Plan,
wo die Straße liegt.
Oder wie ich zu meinem Schreibtisch zurück komme…
Zwar könnte ich umdrehen,
aber nöööö – das käme ja einem Aufgeben gleich!
Also trottele ich die Karl -Heine- Straße entlang und staune.
Über das wundervolle Graffiti an der Mauer des Altenheims.
Über den KITZ – Kindergarten.
Die beklebten Laternenpfähle.
Schäckie Schan – mein Fitnesstracker – tanzt und windet sich.
Ich habe 50 % von Wasauchimmer geschafft.
Darüber freut er sich. Schön.
So langsam brauche ich aber doch einen Plan.
Sonst müsste ich auf Arbeit anrufen und sagen:
„Ich bummle Überstunden ab, weil ich mich beim Gemüsebrühe kaufen verlaufen habe.“
Ehrlich, Leute, das wäre mir doch zu peinlich.
Ich laufe schneller.
Hier ist nichts – aber auch wirklich gar nichts – was mir bekannt vorkommt!
Ich passiere die Bushaltestelle „Nonnenstraße“
und schau verzweifelt auf den Busplan.
Aber auch dort finde ich keine Erleuchtung.
Ich rase über eine Brücke – Moment…Brücke?!
Wenn ich jetzt an diesem Gewässer hier – links des Weges – entlang laufe, komme ich vielleicht zum Palmengarten.
Und von dort weiß ich den Weg!
Während ich also erleichtert losstampfe, sehe ich auch rechts Wasser.
Was nun?
Ich, als Optiohomist,
laufe zwischen den beiden Wasserarmen einfach weiter.
Wird schon schiefgehen.
Und nun wird es wieder unheimlich. Hinter mir höre ich Schritte.
So wie im Horrorfilm.
Nur ist es taghell und es sind ein Haufen Leute unterwegs.
Ich drehe mich um. Der Typ auch. Ich laufe nach links – der Typ auch.
Ich bleibe stehen – er auch.
Ich zücke das Handy, drehe mich langsam um mich selbst
und halte es in seine Richtung.
Als ich *Bitte lächeln* rufen will, dreht er ab und rennt.
Puh – was war das denn?
Jemand, der mein nicht vorhandenes Geld lieben wollte?
Wollte er sich Schuhe kaufen? Oder mich einfach nur ansmilen?
Keine Ahnung.
Es kommt Wind auf, so richtig böig und Blätter tanzen um mich herum.
Ich komme mir vor wie Neve Campell im Hexenclub.
Ey, dieser Tag heute ist echt abgefahr’n.
Ich muss nachher bestimmt Bibi Blocksberg hören, zum Einschlafen.
Wie früher, als ich die ganze Nacht Horrorfilme geschaut habe und dann Schiss hatte. Und meinem kleinen Bruder die Bibi – Kassetten gemopst habe. Sorry, Kevin!
Hah – hier kenne ich mich aus.
Da ist die Sonnenbrücke zum Palmengarten.
Jippie. Geschafft!
Und nur eine viertel Stunde die Mittagspause überzogen.
Als ich nun so durch den Palmengarten haste,
sehe ich im Augenwinkel einen Slackliner.
Ich zücke das Handy, auf die paar Minuten kommt es nun nicht mehr an. Gestern waren der Slackliner und sein Kumpel
auch schon hier.
Die Slackline war über das Wasser gespannt.
Das war echt cool.
Heute ist sie zwischen zwei Bäumen und ich hätte endlich mal die Chance, es mal auszuprobieren.
Aber leider habe ich nun wirklich keine Zeit mehr.
Schade.
Endlich sitze ich wieder am Schreibtisch.
Mit einer Tasse voller Tomatensuppe.
Weil ich die Gemüsebrühe völlig vergessen habe!
Schäckie Schan tanzt schon wieder.
Ich habe mein Schritteziel erreicht. Wow, das ist toll.
Aber nun wundere ich mich nicht mehr über mein Schlafbedürfnis.
Jetzt mal ehrlich, von 5000 Schrittchen auf 15 000 hochzudrehen,
so von heute auf morgen, macht müde.
Und vielleicht auch fit.
[…] – ein Stück in drei Aktenlest bitte hier:1. Akt: Der Waldspaziergang am Morgen2. Akt: Der Parkbesuch in der Mittagspause3. Akt: Abendlicher Gewaltmarsch durch […]