Erster Tag – Sonntag
Die Vorbereitung läuft. Ich esse nur noch gesunde Sachen.
Ist jetzt nicht unbedingte eine große Veränderung.
Schließlich diätiere ich mit den zwei blauen W’s schon seit dem 02. Januar.
Und habe auch ein paar Kilogramm entsorgt.
Jetzt brauche ich aber mal eine Pause. Vom *Was esse ich* – Gedankenwirrwarr.
Deshalb also mal wieder Fasten. Für eine Woche.
Nur keinen Stress.
Wenn es nicht klappt, lasse ich es eben.
Es gibt auch keinen Eiweißshake, sondern Gemüsesuppe.
Selbstgekocht. Also fast. Der R2-D2 hat einen riesigen Topf voll fabriziert.
Lasset die Spiele beginnen!

Zweiter Tag – Montag
Es ist Montag. Neue Woche und fast neuer Monat. März – Frühling.
Das ist ein bisschen wie aufwachen. Ich liebe den Frühling.
Nicht ganz so doll wie den Sommer, aber doch genug, um ihn herbei zu sehnen.
Ich schlabbere mein Haferflöckchen- Haferdrinkfrühstück und ziehe ein paar Minuten eher los.
Die morgendliche Luft ist eiskalt und glasklar.
Hach – ich genieße den zusätzlichen Latschiergang am Wald entlang.
Habe ich lange nicht mehr gemacht.
In dieser kalten, klaren Luft beschließe ich, mich nicht mehr zu wiegen, solange ich faste.
Und das Handy mal nur zum Telefonieren und fotografieren zu benutzen.
Mir geht es gut.
Ein bisschen fehlt mir der Blick in die Welt. In die Social Media Welt.
Die habe ich nämlich gleich mit abgeschaltet.
Das stresst mich dann aber am Nachmittag total.
Ich habe irgendwie Angst, vergessen zu werden.
Von Menschen, die mir wichtig sind.
Ich habe irgendwie gar keine Laune mehr. Himmelhochjauchzend…
Okay, zu Tode betrübt bin ich jetzt nicht, eher so scheißegalich.
Aber irgendwie unangenehm egalich.
Zu Hause sinke ich auf die Couch.
Von Euphorie keine Spur. Am besten, ich gehe ins Bett.
Gute Nacht!

Dritter Tag – Dienstag

Dienstagmorgen ist alles wieder gut. Also bei mir. In der Welt leider nicht.
Ich habe bisher 24 Stunden durchgehalten. War gar nicht so schwer.
Vielleicht ist gerade jetzt die richtige Zeit.
Für’s MenthalPhysicalDigital Detox.

Physical Detox
Hunger habe ich nicht, aber irgendwie das Bedürfnis zu kauen.
Komisch, wie  der Geist so reagiert.
Körperlich habe ich das Gefühl, die Kilos purzeln an mir herunter.
Allerdings sehe ich nichts. Im Spiegel. Aber ich gürtele im letzten Loch.
Das war’s. Also für den Gürtel in 105er  Länge. 
Die Waage bleibt im immer noch im Schrank.
Unbeachtet, bis ich wieder kauen will.
So ist der Deal. Mit mir selbst.

Digital Detox
Nun zu meinem anderen Selbstversuch. Ich fühle ich mich ohne Facebook und Instgram leer.
Wie abgeschnitten und ausgeschlossen. Von der Welt. Vom Leben.
Das nervt mich. Total! Also, das SichSoFühlen.
Mehrmals am Tag erinnere ich mich daran, dass ich das selbst so wollte.
Weil  mein Leben nicht auf Social Media stattfindet.
Nicht stattfinden soll. Jedenfalls nicht ausschließlich.
Follower sind keine Freunde.
Es sind Menschlinge,  mit denen ich mich sehr verbunden fühle, aber ich kenne die meisten gar nicht.
So in persönlich.
Sie vergessen mich wahrscheinlich bald, wenn ich nicht regelmäßig poste.
Das tut zwar weh, aber nicht so doll wie jemand in echt zu verlieren.
Und das habe ich ja auch gerade (mehr oder weniger) erfolgreich überstanden.

Menthal Detox
In mir breitet sich ein Ruhe aus, die ich das letzte Mal als Zöpchenzwerg gefühlt habe.
Im Urlaub. In Geraer Gossenwald. Im Wochenendhaus meiner Großeltern.
Dort gab es leinen Strom. Kein fließendes Wasser. Nur Wald. Wiese. Eine Kirschplantage.
Viele Bücher. Lagerfeuer mit geklauten Glutkartoffeln. Oh, wie habe ich es dort geliebt.
Mein Seelenort, den ich mir immer in Gedanken vorstelle, wenn ich im Alltag runterkommen muss.
Und dort im Wald, hatte ich auch diese Ruhe.
Ohne Handy auf meinen Latschiergängen durch die Leipziger Parks fühle ich mich ähnlich losgelöst. Befreit.

Es ist schwierig, keine Stellung zu nehmen, zur aktuellen Lage in der Ukraine und so.
Man bekommt es einfach nicht aus dem Kopf und aus dem Herz.
Es ist auch nicht so, das ich mich nicht einbringe.
Ich helfe. Ich demonstriere. Ich spende.
Aber ich mag nicht online dafür Likes einsammeln. Kommt mir einfach nicht richtig vor.
Und ich mag nichts darüber schreiben.
Das hier ist aber mein Blog. Mein Fastentagebuch. Sozusagen meine stille Treppe.
Ich schreibe diesmal nicht, um gelesen zu werden. Sondern für mich.
Weil Schreiben irgendwie die Zeit anhält.
Hier gibt es keinen Vergleich. Keine Rechtfertigung. Keine Selbstbeweihräucherung.
Keine Challenge. Und das tut gut. Hier kann ich auch jammern!
Wer es liest, ist natürlich herzlich willkommen.

Vierter Tag – Mittwoch
Heute ist gar nichts passiert. Das ist auch mal schön.

Fünfter Tag – Donnerstag
Heute morgen werde ich so stürmisch begrüßt im Büro.,
dass ich nach hinten purzelte und auf dem Allerwertesten landete.
Da saß ich nun mitten in der Büroküche und kraulte einen freudig wackelnden Hundebauch.
Es ist toll, wenn sich jemand so freut. Macht gute Laune.
Vor allem, weil heute ein recht merkwürdiger Tag ist.
Ich fühle mich fluffig
und irgendwie von allem, was mich ausmacht, entfernt.
So wie es Hermann Hesse beschreibt:

Kennst du das auch, daß manchesmal
Inmitten einer lauten Lust,
Bei einem Fest, in einem frohen Saal,
Du plötzlich schweigen und hinweggehn mußt?

Dann legst du dich aufs Lager ohne Schlaf
Wie Einer, den ein plötzlich Herzweh traf;
Lust und Gelächter ist verstiebt wie Rauch,
Du weinst, weinst ohne Halt – Kennst du das auch?

Zum Glück ist die Stimmung ja nun vorbei.
Ich habe gute Laune und auch eine Menge Gründe dafür:
Ich laufe früh die Treppen hoch. Okay, erst vier Etagen von neun, aber immerhin…
Ich habe wirklich seit Sonntag nicht gekaut.
Die Fasteneuphorie bringt mich zu unglaublichen sportlichen Leistungen.
Und ich habe P!NK wieder für mich entdeckt. Fitnessmusik.
Ich tanze. Boxe. Rudere. Hantele.
Nur dieses Gefühl des Vergessenwerdens haftet noch an mir.
Das macht mich richtig fertig.

Egal, was du hast, es gibt einen Namen dafür und eine Pille dagegen.
Doktor Google findet tatsächlich etwas. Eine Angststörung mit dem unaussprechlichen Namen

Athazagoraphobie:
Athazagoraphobie ist die Angst, vergessen zu werden. Manche Experten definieren sie auch als die Angst, ersetzt zu werden oder von anderen ignoriert zu werden.

Was?! Und was kann ich dagegen tun?!
Unter anderem eine ausgewogene Ernährung und Gedanken Tagebuch schreiben.
Puh, Glück gehabt. Da habe ich wohl Bauchgefühl folgend alles richtig gemacht.

Sechster Tag – Freitag

Heute ist sie da, die Fasteneuphorie.
Ich wache um 4 Uhr auf. Nach fast neun Stunden Schlaf.
Da ich ja auch das Fenster zur Welt fast zugemacht habe
– ich schaue einmal am Tag Tagesschau und eine Folge einer Serie –
verziehe ich mich immer ziemlich früh mit Buch ins Bett.
Und bin dementsprechend ausgeschlafen.
Ich gehe um 6 aus dem Haus und laufe erstmal vier Kilometer durch die Kälte.
Meine Meditation.
Seit ich faste, habe ich einen unbändigen Bewegungsdrang.
Nachmittags nehme ich den langen Heimweg von Lindenaundorf nach Günthersdorf – fast 11 Kilometer.
Völlig ausgepowert komme ich zu Hause an.
Drei Stunden bin ich auf Feldwegen lang latschiert. Über mir der blaue Himmel.
Auf den Ohren meine Lieblingsmusik. Keine Gedanken. Keine anderen Menschen.
Das war toll.

Siebenter Tag – Samstag – Fastenbrechen
Eigentlich wollte ich heute aufhören. Mit dem MenthalPhysicalDigital Detox.
Ich frühstücke Knäckebrot. Kauen kann so schön sein.
Ich fühle mich super. Ungeheuer leicht. Was meine Gedanken und Sorgen angeht.
Kaum noch Anzeichen von Athazagoraphobie.
Ich verspüre keine Lust, Facebook und Instagram wieder auf meinem Handy zu installieren
und verschiebe es auf später.
Erst mal Sport!
Für die nächsten Stunden verschwinde ich im FitnessHobbyWasauchimmerSouterrainKellergeschoss.
Zwei Stunden lange verausgabe ich mich.
Als ich aus den Katakomben wieder auftauche, ist der LieblingsIngo wach und begehrt einzukaufen.
Das kann er haben.
In der Luxusabteilung schlage ich zu:
– Gurken, Brokkoli, Blumenkohl, Karotten, Paprika –
ich verfalle in Kaufrausch. Bei Gemüse!
Und beschließe weiter zu machen.
Mit Gemüsesuppefasten.
Aber auch ohne Facebook und Instagram.
Und auch kein Fenster zur Welt im Dauerbetrieb.
Ich habe noch einige Bücher. Ungelesen. Ungelesen ist schlimmer als ungeküsst!
Aber heute ist trotzdem Cheatday. Ich will kauen!
Zum Mittag gibt es Salat mit Fake – Döner aus der Veggieabteilung.
Dann lade ich die Social Media – Apps aufs Handy. Wegen dem Songzitat zum Sonntag.
Mein Luxusgemüseeinkauf wandert in den R2D2.
Und der macht wieder eine Gemüsesuppe für die ganze Woche draus.
Ich liebe dieses Teil!

Achter Tag – Sonntag
Alles beginnt wieder von vorn.
Songzitat zum Sonntag hochladen. Ein paar Likes durchs Netz schicken.
Und Goodbye für die nächsten Tage zu Facebook und Instagram sagen.
ich summe Schwessis Song Twitterwochen vor mich hin:

“…Mach meinen Klingelton auf Vibrationsalarm,
fahr im Rückwärtsgang über die Datenautobahn
und den Flugmodus an bei Shitstorm und Gewitter…”


Eigentlich wollte ich heute den Seppl aus dem Winterschlaf holen, aber das Wetter ist nicht so prickelnd, Stattdessen putze ich die Wohnung. Die hatte es echt mal nötig.
Dann kuschele ich mich in meinen Sessel. Mit dem neuen Fitzek.
Und genieße meine saubere Wohnung.
Das Leben kann echt schön sein!