“Es steckt im Menschen immer so eine Sehnsucht,
etwas zu suchen oder auf etwas zu warten.”
*Moritz in der Litfaßsäule*

Nur so vorneweg:
Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit mir selbst.
Dabei kommt frau natürlich nicht an diesem kleinen Naseweis vorbei,
der sich oberschlau in alles reinhängt:
Dem inneren Kind
Ich habe beschlossen, sie endlich mal zu Wort kommen zu lassen.
Ich habe mich mit ihr verschwestert und nun bekämpfen wir zusammen die Angstdrachen und Selbstzweifelhexen.
Wir lernen, uns zu mögen.
❤️
sie zerren an dir
schreien dich an
dies und das machen
sollst du

doch dir hören sie nie zu
weil du zu leise sprichst
sie schauen dich nicht an
sehen die Tränen
in deinen Augen nicht

du wirst klein gemacht
und ausgelacht
Du bist wie unsichtbar
keiner nimmt dich wahr

❤️
Das aber nur mal so nebenbei.

Neulich im Sonnenweg:
Manchmal ruft mein inneres Kind:
“Boah, ey… guck nicht immer diesen Erwachsenenscheiß!
Das macht mir Angst. Schau einfach mal was Schönes!”
Deshalb schaute ich Moritz in der Litfaßsäule
Ein DEFA- Verfilmung des Lieblingsbuchs meines achtjährigen Ichs.

Also, der Moritz Zack ist neun. Langsam und verträumt.
Lebt in einer Familie mit pflichtbewussten Schwestern,
einem zahlen-affinen Papa und einer Vollzeit arbeitenden
und nebenbei studierenden Mama.
Keiner hat Zeit, keiner hört zu.
Der beste und einzige Freund zieht weg.
Kannte ich nur zu gut.
Als der Papa nicht zu ihm hält, trotz Versprechen – genau das zu tun,
fühlt sich Moritz verraten und haut ab.
Zieht in eine alte Litfaßsäule. Wäscht sich nachts im Brunnen.
Trifft auf eine Katze mit Lebenserfahrung
und ein seiltanzendes Zirkusmädchen,
welches sich (natürlich) eine *richtige Familie* wünscht.
Genau so eine, wie der Moritz hat. So weit, so gut.

Das war jetzt nicht der Urknall in meinem Kinderleben.
Familie war mir wurscht. Eine so gut oder schlecht wie die andere.
Irgendwas gab es irgendwo immer.
Total beeindruckt hat mich als Achtjährige
und auch jetzt – 40 Jahre später –
der simple Abschiedsbrief mit dem Satz:

Es hat mir nicht mehr gefallen!

Sonst nichts, nur dieser eine Satz. Der wurde mein Mantra!
Alle Erfahrungen und Erinnerungen, die mir nicht gefielen,
sperrte ich in eben diese Litfaßsäule.
Natürlich erst als Moritz und die Katze mit Lebenserfahrung
ausgezogen waren…
Mein inneres kleines Mädchen wurde Türwächterin.
Sie war eine sehr aufmerksame Türwächterin.
Sobald auch nur ein Fünkchen Erinnerung durch den Türspalt spähte,
war sie zur Stelle und flüsterte mir ins Ohr, wie das mit dem Verdrängen funktioniert.

Deshalb fand ich mein Leben auch jahrelang okay.
Ich fühlte mich halbwegs glücklich.
Doch eigentlich hat immer irgendetwas gefehlt.
Halbwegs und eigentlich schließen ja das glücklich sein irgendwie aus, oder?

Und dann reicht ein bisschen Einsamkeit im Homeoffice
und ein bisschen Empathie und Verständnis in einem Webinar
BÄM 💥
tickt das geduldige, süße Mädel einfach mal aus und stößt
– plötzlich, ohne große Erklärungen –
die Tür auf , dass mir die Erinnerungen nur so um die Ohren flattern.

Ich habe geheult, getobt, mich ganz tief vergraben und getrauert.
Um das kleine Mädchen, das ich mal war.
Ich sehe mich.
Freudestrahlend heiße ich den Erwachsenen in meinem Leben willkommen, der mir später furchtbar weh tut.
Ich sehe mich.
Voller Vertrauen in die Großen,
die mir doch eigentlich Mut machen sollten.
Das Leben erklären.
Mich meinen Weg finden lassen.
Und irgendwie versagen.

Dann schaue ich genauer hin. Freue mich.
Über das gleiche kleine Mädchen:
Das immer wieder aufsteht.
Alles ausprobiert. Ganz alleine.
Das scheitert und trotzdem lacht.
Hui, sie ist toll.

❤️
Es hat mir nicht mehr gefallen
durchs Leben zu hetzen
es hat mir nicht mehr gefallen
ständig die Krallen zu wetzen
es hat mir nicht mehr gefallen

Es hat mir nicht mehr gefallen
für andere stark sein zu müssen
Es hat mir nicht mehr gefallen
die Flagge in Windrichtung zu hissen
es hat mir nicht mehr gefallen

Es hat mir nicht mehr gefallen
mich ohne Erfolg zu schinden
es hat mir nicht gefallen
nie den richtigen Weg zu finden
es hat mir nicht gefallen

❤️

Je mehr ich mich meinem inneren Kind annähere,
desto mehr liebe ich es für alles, was sie bisher getan hat.
In erster Linie war sie mein Coolness – Coach.
Sie erinnert mich an alle Kinderversprechen, die ich mir selbst gab
(diese Schwüre, besiegelt mit dem Fluch: Mir fallen alle Haare aus,
wenn ich das jemals vergesse):
Wenn du mal groß bist, dann machst du alles anders…
Wenn du mal dies…wenn du später das…

Sie hob immer den Zeigefinger, wenn ich diese Versprechen vergaß
und zu erwachsen wurde:

Das Freyerlein konnte sich total wegbeamen (woher er das nur hatte?)
In einem Chaos aus Legosteinen, Spielzeugautos, Chipskrümeln
und Spielfiguren lag er ausgestreckt und schaute sich Bücher an.
Oder summte vor sich hin.
Obwohl ich schon seit einer halben Stunde übers Aufräumen lamentiere.
Bevor ich den Satz:
*WenndunichtDannpassiertSonstgibteskein…*
auch nur denken konnte, stand in meinen Gedanken
dieses zerzauste, lederbehoste Gör vor mir,
grinst mich ohne Vorderzähne an und startete das ErinnerungsKopfkino:

Klein Winnie lesend im ungemachten Bett,
vor ihr auf dem Teppich liegt der Staubsauger
und brummt seit einer halben Stunde vor sich hin –
in einem 6 Quadratmeter großen Zimmer!
Die Tür fliegt auf und… STOPP STOPP STOPP


ich habe es ja begriffen.
Schnappe mir das Buch und lese dem Freyerlein vor.
Ausgestreckt mitten in einem Chaos aus
Legosteinen, Spielzeugautos, Chipskrümeln und Spielfiguren

Mein inneres Kind lässt mich aber auch merkwürdige Dinge tun,
deren Sinn ich nie verstand und die ich (bisher) unerklärlich fand:

Ich kann nicht mit Geld umgehen – Deshalb hau ich es einfach raus.
Ich mag nicht gelobt werden. Deshalb versuche ich manche Dinge
erst gar nicht.
Ich steigere mich in alles hinein – Das wirkt oft ziemlich befremdlich auf andere Menschen.
Ich habe kein Gefühl dafür, wann es am besten ist, aufzuhören – ich mache alles exzessiv, von Alkohol trinken bis Social Media Kram.
Ich mag mich nicht besonders und verstehe die Gründe nicht, warum manche Menschen mit mir befreundet sein wollen.
Ich finde mich auch nicht wirklich nett oder empathisch.

Das schwirrt mir einfach schon jahrelang durchs Unterbewusstsein.
Ich konnte es nicht abstellen. Und ich wusste nicht, woran das liegt.

Das bin ich halt. So war ich doch schon immer.

Nun ist es wohl an der Zeit, mein inneres Kind zu entlasten,
dieses kleine Mädchen an die Hand und mit ins Leben zu nehmen.
ihr zu sagen:
Bisher hast du mich super beschützt.
Aber jetzt kannst du lachen, spielen und glücklich sein.

Wir sind nicht ZU dick, ZU alt, ZU klein, ZU leise, ZU laut…
Wir sind toll. Wir können alles tun, was wir wollen.
Wir schaffen alles, was wir wollen.

Wir sind WINNIE!

Wow, wie geil!

1 Kommentar

  1. Das ist sehr sehr gut! In jeder Hinsicht. Mach weiter so 🤗

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