Ich tue keine richtige Reise, ich pendle.
Von Montag bis Freitag. Im Sommer mit dem Seppl, im Winter und bei Gewitter mit dem Bus.
Sobald das Wettermenschlein in den Nachrichten das
G- Wort in den Mund nimmt, bleibt Seppl zu Haus. So auch gestern.
War das wieder ein Tag!
Keine ruhige Minute. Jeder will etwas. Und natürlich sofort.
Weil super dringend und mega wichtig. Ihr kennt das.
Zum Feierabend war ich vollkommen erledigt und
natürlich viel zu spät dran. Kurzer Sprint zum Bus schon mit angelegtem Spuckschutz im Gesicht.
Wie unangenehm.
Natürlich fährt heute so ein Fakefensterbus. Ohne Klimaanlage.
Schon nach 2 Minuten tropft es salzig unterm Spuckschutz hervor.
Es gibt nichts Schlimmeres, als so ein kleiner Schweißtropfen, der langsam irgendwo hinunter kullert.
An den Füßen wird’s auch ziemlich warm.
Heizen die etwa bei 27 Grad Außentemperatur?!
Wir zuckeln über Landstraßen, durch enge Dorfstraßen ins Gewerbegebiet und transpirieren vor uns hin.
Straßensperrung und Umleitung. Sommer in Deutschland!
Im Bus sitzen außer mir noch ein Püppchen, das laut mit einem TrottelBlödmann telefoniert –
ein ziemlich unglücklich dreinschauender Typ in Motoradkluft (der Arme, volle Ledermontur bei der Hitze) – ein Teenie mit Fahrrad und eine Mutti mit Großeinkauf und zwei Kleinkindern.
Mitten in der Pampa, 2 Haltestellen und ca. 1, 3 Kilometer Luftlinie bis zu mir nach Hause, rumpelt der Bus auf den Bordstein.
Der Fahrer springt zur Tür, murmelt vor sich hin und… ist verschwunden.
Wie in einem schlechten Film. Wir starren uns erstaunt an.
Drei Minuten später ist er wieder da und verkündet:
“Mir verliern Wasser. Es is unnen rum feichte!”
Bitte was?! Ich fummle den Kopfhörer aus dem Ohr. Was ist wo? Und was ist denn bitteschön feichte?
Ein Fachbegriff aus der Busbranche?
Kühlwasser läuft aus, übersetzt der Motoradmann.
Ah… Eine Bushavarie. Hatte ich bisher nur einmal in meinen 19 Pendlerjahren.
Allerdings nicht mitten in der Pampa. Und nicht an so einem *IchwillnurnachHauseTag*
Alle müssen raus und stehen ziemlich doof in der Gegend rum. Motorradmann schaut brabbelnd in die offene Motorhaube, nickt wissend und…
weiß auch nicht weiter. Überrascht mich jetzt nicht wirklich… schließlich fährt er mit Motorradoutfit im Bus 🤷♀️ “Da jeht nüscht mehr!” orakelt er.
Wann der nächste Bus kommt? jammert das Püppchen, weil der TrottelBlödmann sie wohl nicht abholen kann. Achselzucken beim Fachpersonal ist die Antwort.
In solchen Momenten vermisse ich das Rauchen. Da hatte man doch etwas zu tun beim doof in der Pampa stehen.
Sich cool auf die Reifenstapel an der Kartbahn setzen, an der Fluppe ziehen und outlawmäßig in die Gegend starren. Ich grinse bei dem Gedanken.
Was mach ich denn nun?
Ich bin einen Kilometer Luftlinie von zu Hause entfernt. Dazwischen brummt und summt die A9. Scheiße!
Ich könnte laufen.
Aber ich muss erst 3,5 Kilometer in Richtung Leipzig latschen, um auf die andere Seite der Autobahn zu kommen.
Durch unwegsames Gelände.
Darauf hab ich echt keinen Bock heute.
Ich flüstere vor mich hin: “Accio Seppl”
Nichts passiert. Funktioniert wohl nur bei Harry Potter, Besen und mit Zauberstab.
Die Mutti wird abgeholt und der Fahrradteenie ist auch weg.
Ich bin ein bisschen neidisch. Aber es nützt ja nix. Der LieblingsIngo ist mal wieder systemrelevant schuften, ich muss also ausharren.
Plötzlich taucht ein weißer Van auf. Superman eilt zur Busrettung.
Ein Blaumannträger wuchtet sich heraus und begutachtet den Busmotor:
“Haste etwa geheizt!? Der Schlauch ist verschmort!” raunzt er den Fahrer an.
Also doch. Heizung im Sommer. Die spinnen echt.
Er tauscht ein Stück Schlauch aus und zaubert dann zwei Kanister und eine Gießkanne aus seinem Van.
Gleichzeitig. Wow.
Er füllt blaues Kühlwasser in den Bus. In dem zweiten Kanister ist rotes… Ja, was? Heizwasser? Jedenfalls ist das nicht das Richtige. Superman schleppt es zurück in sein Supermanmobil und holt nochmal blaues.
Kann mir ein Fachmann aus der Busbranche mal den Unterschied zwischen diesem roten und blauen Wasser erklären?
Ach, egal. Hauptsache, es funktioniert.
Kurzer Check – Motor läuft wieder und es ist *unnen rum nischt mehr feichte*
Superman verschwindet so schnell, wie er aufgetaucht ist.
Für uns geht es auch weiter, nun ohne Fahrradgeklapper und Kleinkindgebrabbel.
Mit einer halben Stunde Verspätung rollen wir ins Ziel. Also in meins.
Jetzt nur noch kurz zum Stammdiscounter und ab auf die Couch. Das hab ich mir wirklich verdient.
Vor mir trampelt meine Erzfeindin aus der Schulzeit ins Geschäft. Auch das noch. Ich hab echt keine Lust auf einen Austausch falscher Freundlichkeiten. Sie erkennt mich nicht.
Zum Glück. Hui, bin ich auch so alt geworden?
Ihr Hintern ist fetter als meiner. Das hebt meine Laune ein bisschen.
Ich tänzele grinsend an ihr vorbei, grüße freundlich und finde mich total fies. Und gemein. Aber manchmal brauche selbst ich eine Pause vom Nettsein. Vor allem an solch einem Shitday!
Habt einen wundervollen Freitag und ein schönes Wochenende.
Ich genieße es in Osnabrück, wo angeblich die glücklichsten Menschen leben 💫
Da hol ich mir mal ein bisschen Glücksmotivation 🍀