Prolog – Dieses erklärende Vornewegstehdingens –
Drei Monate mit 9 Euro Ticket durch Deutschland reisen.
In Echt heißt das, vollgepackte Busse und Bahnen!
Nach acht Stunden sitzender Tätigkeit, muss ich tatsächlich 20 (in Worten ZWANZIG) Minuten
Bauch an Bauch oder Po an Po mit mir völlig fremden Leuten STEHEN!
In Nasenhöhe mehr oder weniger behaarte, aber auf jeden Fall immer total verschwitzte Achseln. BÄÄÄÄÄÄÄÄÄH!
Das ist das letzte Tröpfchen fürs überlaufende Geduldsfass.
Das Wichtigste – Was ich eigentlich sagen will – Gedöns
“…Begeisterung ist eine Liebeserklärung ans Leben. Sie dankt euphorisch und mit leuchtenden Augen dafür, dass wir leben und so viel erleben dürfen.
Wer sie nicht hat, dem fehlt das Feuer. Und wer das Kind in sich zum Schweigen bringt, geht freiwillig ins dunkle Haus, wenn draußen die Sonne scheint.”
aus Das kleine Wörterbuch für Optimist*innen von Florian Langenscheidt
Begeisterung ist etwas Tolles. Ich bin eine überzeugte Optimistin. Fast schon übertrieben naiv, findet mich der LieblingsIngo manchmal. Eben ein sozialromantisches Blumenkind.
Immer im Glauben an das Gute. Und eben voller Begeisterung.
Ich kann mich mit allem, was ich bin und was mich ausmacht hinein steigern, in diese Begeisterung. Und dann daraus Geschichten zaubern. Meine geheime Superkraft.
*
Am Ende einer schattigen Straße
sehe ich Licht
dort – wo sich glitzernd die Sonne
auf dem Wasser bricht.
Strahlend der Himmel – so blau wie sonst nie
bin ganz verzaubert von der Natur – Melodie
Gedanken wie Seifenblasen,
gefärbt mit bunten Glitzer
vertreiben Sorgen und Wut
Angst verwandelt sich in Mut
Abenteuerlust und Optimismus
meine Beine tanzen von ganz allein
den wilden Sommerrythmus
Ich hab bisher im Leben
mehr bekommen als gegeben,
öfter gelacht, als geheult
lieber gefeiert, als bereut,
die Nase in ein Buch gesteckt,
statt auf Ratschläge zu hören
Streiche ausgeheckt und
Blutschwüre geschworen.
Habe Träume gesucht in den Sternen,
statt für die Schule zu lernen.
Bin durch Pfützen gehoppst,
getanzt im Regen
kullerte Hügel hinab verwegen.
Sehe immer noch das Gute in allem,
lasse Kaugummiblasen knallen.
Glaube an den Frieden und Glück
wandere stetig vorwärts, schaue lächelnd zurück.
Besiege Ungeheuer, immer und immer wieder
und dazu singt mir der Backroundchor
meinen Lieblingssound ins Ohr
Ich radle fröhlich ins Ungewisse
tausche *können* gegen *müssen*
Abschiede und Tränenküsse
ohne schlechtes Gewissen
Einige Menschen werden mir fehlen,
andere werde ich wohl nicht vermissen
*
Im Moment begeistert mich das Fahrrad fahren. Mal wieder.
Ich steige auf, trete los und komme überall hin. Ich bin alleine, keiner treibt mich an.
Ich liebe Fahrrad fahren. Eigentlich. Manchmal vergesse ich, wie sehr mich Fahrrad fahren glücklich macht. Dann bequemisiere ich lieber auf der Couch herum. Jammere über volle Busse und doofe Abfahrtszeiten. Und der Seppl heult auch. Eingesperrt im Keller.
In solchen Momenten hüpft der Zöpfchenzwerg durch meinen Kopf. Spannt die Leinwand auf und zeigt mir, was ich aus erwachsener Bequemlichkeit so verpasse.
In Form von Erinnerungen:
Früher hatte ich ein kleines, rotes Fahrrad. Ohne Namen. Dafür mit Stützrädern.
Ich fuhr vorsichtig verkrampft, von links nach rechts kippelnd (Stützräder! – Ihr kennt das!)
durch die Gegend. Dann wurde es besser, ich schneller. Die Stützräder waren nach oben gebogen, berührten den Boden nicht mehr. Aber sie waren da und ich sauste durch die Gegend.
Bis die Großen beschlossen: Keine Stützräder mehr. Wir übten. Am Straßenrand entlang. Großer Menschling neben mir. Helfende Hand am Gepäckträger. Heulende Kreischversion meinerseits auf dem Sattel:
„ICH KANN DAS NICHT! ICH WILL ZU MEINER OMI! HILFEEEEE!
Dann bemerkte ich, die helfende Hand fehlte. Ich bremste scharf, fiel einfach um und stieg nie wieder auf das kleine, rote Fahrrad. Es verstaubte m Keller.
*Ich kann das nicht* ist seitdem übrigens mein Synonym für: „Ihr könnt mich mal…“
Ein paar Jahre später fragte meine Lehrerin, wer denn alles Fahrrad fahren könne.
Alle Hände hoben sich. Auch meine. Obwohl ich NICHT Fahrrad fahren konnte.
Shit – Shit – Shit!
Jetzt musste ich es lernen. Schnell. Ich übte und übte. Mit dem Klappfahrrad meiner Mutter.
Das sah so ein bisschen fetzig aus. Wie ein BMX- Rad.
Kaum konnte ich geradeaus fahren, war mein Popo am Sattel festgewachsen.
Mein Aktionsradius vergrößerte sich immens. Die Saalewiesen wurden zur Prärie. Der Friedhofsweg zur Cross- Strecke. Ich gurkte durch Merseburg. Abenteuer und Freiheit pur!
Dann wurde ich älter und andere Dinge wichtiger. Jungs zum Beispiel.
Die fuhren Moped. Wenn ich dazu gehören wollte, musste ich mich da hinten drauf klemmen. Auch wenn ich motorisierte Dinge überhaupt nicht toll fand.
Ständig habe ich mir die Kullerwaden am höher gelegten Auspuff verbrannt.
Und bin fast erstickt am Abgasgeruch. Bekam einen Hörsturz von diesem getunten Geknatter.
Aber ich wollte dazugehören. Unbedingt! Deshalb habe ich mich auch dem Gruppnzwang unterworfen, diesen motorisierten Boys gefallen zu wollen.
Es galt, sich schön zu machen. Und sich geziert mädchenhaft zu verhalten.
Verschwitzt und schlammbespritzt mit einem Fahrrad ankommen gehörte nicht unbedingt zu den favorisierten Mädcheneigenschaften. Deshalb fuhr ich nicht mehr mit meinem BMX-Klapprad. Das ist allerdings wieder eine ganz andere Geschichte…
Spulen wir ein bisschen vor: Die Chaosqueen wurde Mama.
Ich fand motorisierte Dinge, die ich bewegen sollte, immer noch blöd.
Machte trotzdem den Führerschein. Und frage mich bis heute, warum…
Aber das ist eine ganz andere Geschichte!
Ich hatte also nun meistens ein blauäugiges, blondes Feenkind an meiner Seite
und nannte es das FREYERLEIN.
Das Freyerlein war ein Träumer mit ganz viel Fantasie. Wir ergänzten uns prima.
Wanderten durch die Gegend und sahen magische Dinge. Sammelten Steine. Sprangen in Pfützen. Picknickten auf der Wiese. Erkundeten die Bücherwelt der Bibliothek. Und erlebten kunterbunte Abenteuer. Und kamen überall hin zu spät. Verschwitzt und glücklich.
Zeit war uns nicht wichtig. Den Menschlingen um uns herum, bedeutete Zeit und Pünktlichkeit alles. Deshalb war Fahrrad fahren tatsächlich die einzige Chance für uns, pünktlich irgendwo anzukommen. Mit dem blauen Blitz samt ultracoolem Kindersitz waren wir doppelt so schnell unterwegs. Zum Kindergarten. Auf Arbeit. Zum Arzt.
Vorn im Korb transportierten wir das Abenteurer- Equipment und alle Fundstücke.
Für nachmittags. Wenn die Pflichten abgehakt und Zeit für Abenteuer war.
Die Zeit dreht sich weiter, das Freyerlein wanderte in die Schule. Aus dem Feenkind wurde ein Cool- Kid. Mit eigenem Fahrrad. Fortan zog er mit seiner Gäng los. Ins Abenteuerland. Mamas waren dort unerwünscht. Aber – ihr ahnt es schon – auch das ist wieder eine andere Geschichte!
Als das Freyerlein 2014 ganz alleine in die Welt zog, siedelten wir auch um.
Aufs Land. In die Pampa. Hier ist es wunderschön. Grün. Ruhig.
Manchmal müffelt es nach Nutztierkacke.
Ich bin nicht unbedingt ein AufdemLandWohnVerfechter. Mir fehlen so ein paar Stadtdinge:
Imbiss und Lebensmittelgeschäfte. Der LieblingsPizzaservice. Maria mit ihrem griechischen Restaurant um die Ecke. Abwechslung. Und Bewegung.
Der LieblingsIngo schlug ein neues Auto vor. Da könnte ich ja all das besuchen, was mir fehlt. Ich wollte lieber ein Fahrrad. Und bekam es. Am 19.04. 2017. Das war Liebe auf den ersten Blick zwischen dem panikgrünen Seppl und mir. Wir sind ein Herz und eine Seele. Mein Popo ist wieder an einem Sattel festgewachsen.
Ich radelte also 15 Kilometer nach Leipzig. Durch Felder, Dörfer. Bei jedem Wetter.
Mit den erwähnten Bequemlichkeitsaussetzern. Bis mich die Pandemie mit allen Begleiterscheinungen schachmatt setzte. Ich radelte immer weniger.
*Dabei ist es der Wahnsinn, auf einem Fahrrad durch die Gegend zu cruisen.
Selfcare in Urform:
Ich fühle mich. Ich liebe mich. Mir ist völlig egal, was andere von mir denken. Im blauen Winnieköpfchen erklingt
“…Ein paar von den Typen könnten klüger, größer und auch stärker sein als ich…”
Jedesmal wieder, wenn ein Rennrad oder ein E- Bike an mir vorbei zischt.
Ich bin nicht auf Geschwindigkeit getrimmt. Ich genieße.
Die Natur. Den Gegenwind. Die Sonne. Den Regen. Den Schmerz in meinen Beinen. Zelebriere jedes Vibrieren am Arm, mit dem Schäckie Schan (der Zweite) mir einen weiteren, geschafften Kilometer anzeigt. Da kann mir auch schon mal ein *HURRA* laut entfleuchen.
Ich grüße alle(s), was mir über den Weg läuft:
Jogger*Innen – Graureiher – Krähen – Tausendfüsser – Nacktschnecken und teile Ihnen strahlend lächelnd meine Empfindungen mit. Dieses unbeschreibliche Gefühl.
Zu leben. Frei zu sein. Das ist wie ein Rausch.
So wie Schwessi es in meinem Lieblingssong von ihr beschreibt:
“… wir sind mehr als dabei,
wir sind mehr als nur frei,
ohne Drogen ganz high
von dem radikalen Feeling echt am Leben zu sein,
immer nur unterwegs und überall daheim …”
Dieses Gefühl möchte ich als knallbunte Glitzerflocken einfangen und in den Großstädten über allen Menschen verstreuen. Es in überfüllten Busse und Bahnen verteilen. Durch die Großraumbüros pusten. Als Seifenblasen. Vielleicht retten wir dann unsere Welt doch noch*
*
Was mich glücklich macht…
Wenn die strahlende, leuchtende Sonne
mich kitzelnd kribbelig wach macht
– nach einer langen, dunklen Nacht –
Wenn die Luft nach Regenbogen schnuppert,
ein Bach hinter den Bäumen gluckert,
das Gras glitzert – wie frisch besprüht –
mit Tautropfen in Quakfroschgrün.
Wenn jemand ein Lied singt
– das nur für mich bestimmt –
im Sommerwind zart verklingt.
Ein Lächeln, das nur mir gehört,
ein Wort zu mir, das nett gemeint,
Zweisamkkeit, ganz ungestört,
gute Laune, die uns vereint
– Freundschaft und Zusammensein
im Lagerfeuerschein –
Wenn deine Hand zärtlich die Meinige hält,
du mich anschaust, als gäb’s nur mich in deiner Welt
Wenn du mich anlächelst und küsst,
und es ist
es wie ein Feuerwerk, das den Himmel knallbunt färbt.
Das Leben, das jeden Tag neu beginnt,
ist wie ein ewiger Sommer:
* mit viel Sonnenschein – manchmal unterbrochen von Blitzen und Gewitterdonner
* mit Sonnenblumen, die immer blühen
* Wolkentieren, die am Himmel ziehen
* Sommerregen mit großen Pfützen – die beim Reinspringen weit spritzen
* mit einem Bauch – von Wassermelonen ganz rund
* einem streuseligen Eisschleckermund
* mit guter Laune und ganz viel Lachen
Angefüllt mit solchen Sachen,
die mich so richtig glücklich machen!
*
Also raffte ich mich auf. Obwohl der Weg zu meinem neuen Job nun 21 Kilometer lang ist statt 14,5 Kilometer. Und quer durch die Innenstadt führt.
Ich wollte endlich wieder dieses krasse Glücksgefühl spüren!
Jetzt ist der Juni vorbei und ich bin tatsächlich jeden Tag auf Arbeit gefahren. 34 Mal um die 22 Kilometer.
Täglich 42 Kilometer. Bei Wind und Wetter. WOW!
Das ergibt eine gefahrene Strecke von 697,38 Kilometer.
Und das habe ich geschafft. Ganz alleine.
Jeden Abend falle ich völlig ausgepowert ins Bett und penne weg. 9 Stunden lang.
Ich bin super gut drauf. Und optimissiere wieder.
Aber eine kleine Sache trübt mein Fahrradglück ein wenig:
Mein minimalistisch ausgeprägter Orientierungssinn und meine Fehde mit diversen Navigations- App’s.
Ich latschiere oder fahre morgens einen Weg entlang und finde diesen Weg nachmittags nicht mehr wieder. Er ist einfach weg!
Die einzige logische Erklärung für mich: Die Welt ist magisch!
Mit richtungsändernden Wegen und Treppen. Muggeln und Zauberern. Hexen.
Glaubt mir natürlich niemand. Ich hätte zu viel Fantasie, lebe in meiner Büchertraumwelt und mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Sagen die. Schon seit ich klein war.
Ich nenne es meine geheime Superkraft, erinnert ihr euch? Was mir da so alles passiert ist,
findet ihr – demnächst in einem Tagebuch – genau hier:
Die wunderbar gefährlichen Fahrradabenteuer einer Chaosqueen of fucking everything
– Tagebuch eines Sommers