Wir sind auf dem Weg in den Winterurlaub.
Nach zweijähriger, unfreiwilliger Urlaubsabstinenz. Ich freue mich. Auf Schnee und Berge. Aufs Skiieren.
Auf echte Käsespätzle. Auf Zweisamkeit mit dem LieblingsIngo.
Und sogar auf den unausweichlichen Muskelkater.
Rituale sind wichtig. Auf dem Weg in die Berge hören wir Bayern 3.
Schon immer.
Wir sind große Fans der Stefans.
Auch wenn der eine Stefan jetzt plötzlich Sebastian heißt.
Und die Sendung *Die Samstagscrasher*
Sobald wir unter 500 Kilometer sind, schallt es ein kräftiges *Hudelelli* durchs Auto.
Das ist ein Spruch aus Disneys *Robin Hood* und wurde vom Freyerlein als *Unter100KilometerFreudenspruch* bestimmt. Da war er neun.
Manche Dinge vergisst man nie.
Nachmittags kommen wir in Ried im Oberinntal an. Tirol. Österreich.
Das fühlt sich ein kleines bisschen an, wie nach Hause kommen.
Keine Ahnung, warum ausgerechnet ich, die sonst gern jede Anstrengung meidet, Berge so toll finde.
Im Tal mit all den Bergen um mich herum, fühle ich mich beschützt. Eingehüllt von der Natur.
Sonntag geht es los. Gleich morgens um 10. So zeitig waren wir noch nie dran.
Herrlicher Sonnenschein. Tolle Pisten – super breit. Ein paar bunte Punkte weiter oben,
sonst ist die Piste übersichtlich befahren. Ich sause hinunter und fühle mich. Total.
Sonne im Gesicht – der Wind zischt im Ohr und ich erinnere mich an mein allererstes Mal auf Skiern:
Ich war sechs, fast sieben und das Familiending mit Mutti, Vati, Kind hatte gerade begonnen.
Wir waren in einem Betriebsferienheim. In Beerheide. Im Vogtland.
Mit anderen Erwachsenen unterwegs.
Am Hang wedelten alle den Berg hinunter. Auf Skiern.
Ich wäre ja viel lieber Schlitten gefahren.
Aber auch ich hatte Brettern an den Füßen. Und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte.
Mir war kalt. Ich hatte Schiss. Am liebsten hätte ich geheult.
Bei den anderen sah das so einfach aus. Man rutscht mit diesen Dingern los und…
ja, und dann?! Wie bremst man denn? Ich schaute verstohlen in die Runde.
Keiner da, den ich fragen konnte. Irgendeiner glitt an mir vorbei und lachte:
„Wenn du hier weiter rumstehst und heulst, frierste an!“
Nun hatte ich davor auch noch Angst. Herzlichen Dank!
Während ich mir ausmalte, wie ich langsam so kalt wurde wie Kay bei der Schneekönigin,
erwachte mein berühmt- berüchtigter Winnie- Trotz (den gibt es übrigens heute noch):
Das ist der Moment, in dem ich handele. Meist völlig unüberlegt. Wütend. Aus dem Bauch heraus.
Und meist schade ich mir damit selbst.
Ehe ich also festfrieren konnte, rutschte ich, mit dem Mut der Verzweiflung und vollstem Karacho
den Berg hinunter. Gerade. Mitten in einen Zaun.
Rumms!
Niemand wurde verletzt. Zum Glück.
Genau in diesem Moment schwor ich mir,
NIE – NIE – NIE WIEDER
auf irgendwelchen Brettern Berge hinunter zu rutschen.
NIEMALS!
Sag niemals nie!
Der Schwur hielt genau 22 Jahre.
Vor zwanzig Jahren lernten das Freyerlein und ich dann willentlich Ski fahren. In Waldmünchen.
In einer richtigen Skischule. Mit Abschlussrennen und Diplom. Weil der LieblingsIngo…
Aber das ist eine andere Geschichte.
Auf jeden Fall liebe ich es mittlerweile zu skiieren.
Es war nicht unbedingt Liebe auf den ersten Blick. Aber dafür ist sie tief und innig.
Wenn ich die Berge vorbei flitzen sehe, ist das irgendwie magisch.
Dieses Gefühl, völlig schwerelos zu fliegen.
Breites Grinsen im Gesicht. Fluffige Zuckerwatte im Bauch. Glücksexplosionen im Kopf.
Ich empfinde tiefe Dankbarkeit und Demut.
Ich werde 50 Jahre alt. Ich bin kerngesund. Okay, ein bisschen rundlich,
aber das kann ich ja (vielleicht) ändern.
Trotz Mehrgewichtigkeit kann ich alles machen, was ich möchte.
So sportmäßig.
Ich habe einen tollen Job. Tolle Kolleg*Innen. Nette Freund*Innen.
Und meinen LieblingsIngo. Das Freyerlein und die Lindamaus.
Urlaub. Konzerte. Bücher. Ich kann Mundharmonika lernen. Oder Einrad fahren.
ALLES, was ich nur will, kann ich machen. Es liegt nur an mir.
Mit dieser Erkenntnis beende ich dieses Jammer- Tagebuch.
Schluss mit dem MIMIMI.
Danke fürs Lesen, liebste Lieblingsmenschen.
Fürs Trösten. Fürs Mut machen.
Ich habe Euch lieb.
Hier nun, wenn ihr wollt der letzte Wocheneintrag im
Endlosen MiMiMi der Chaosqueen of fucking everything – Tagebuch:
Was wäre leichter, wenn ich leichter wäre?
5. Woche – in der ich Piste 81 im Robbenstyle bezwinge, Schneegestöber so richtig geil finde und endlich begreife, dass nix leichter wäre, wenn ich leichter wäre...