Jeden Morgen, wenn ich zur Arbeit gehe, treffe ich Juri (4), der auf seinen Papa wartet.
Unser Hinterhofgespräch heute morgen: „Hey Juri, du gehst als Feuerwehrmann zum Fasching? Cool!“
„Nö, nich als Feuerwehrmann!“
„Aber du hast doch einen Feuerwehrhelm auf?“
„Ja, aber ich geh doch als Feuerwehrjunge!“
Da hätte ich ja selbst drauf kommen können, als was denn auch sonst…

*

Es ist Sommer.
Seit sechs Tagen. Temperaturen über 30 Grad.
Deutschland ächzt und stöhnt.
Ich liebe den Sommer. Gerade die Hitze.
Die langen Abende.
Das Fahrradfahren. Schwimmen im See. Grillabende mit Freunden.
Und die Kids, die im Bürohinterhof den ganzen Tag draußen spielen.
Ach, da wäre ich auch gern noch einmal Kind!
Von niemanden lerne ich so viel über Leben, Zusammenhalt, Liebe und Freundschaft wie von den Kiddies im Hinterhof. Unsere Mülltonnengespräche sind legendär.
Diese bunte Weltsicht. So herrlich unkompliziert!

Heute zum Beispiel:Fragt mich der Jannis-Hannes-Hans (4, aber fast 5),
warum ich bei dem schönen Wetter eigentlich immer drin bleibe.
Weil nämlich sein Papa sagt, drin spielen kann man bei Schmuddelwetter.
Da hat der Jannis-Hannes-Hans- Papa natürlich recht.
„Aber, ich bin ja erwachsen…“setze ich zur Erklärung an.
Lautes Kichern unterbricht mich: „Du bist doch nicht erwachsen, du hast bunte Haare!“
Ah… Korbinian mischt sich in unser Gespräch.
Korbinian ist schon sieben und ein welterfahrener, angehender Zweitklässler.
„Okay, vielleicht bin ich nicht erwachsen. Aber groß. Und Große können auch nicht immer nur das tun, was sie wollen!“ „Warum denn nicht, ihr habt doch keinen Papa mehr, der euch alles verbietet!“
Jannis-Hannes-Hans schüttelt sich aus vor Lachen. Fast fällt er vom Papiercontainer.
Ich versuche es erneut: „Ich bin auf Arbeit. Da muss ich eben drin bleiben und rechnen.
Wie in manchen Schulen. Da geht das Spielen auch nur in der Pause.
Natürlich wäre ich viel lieber bei euch da draußen.
Auf der Schaukel oder mit beim Wasserschlauch spritzen, beim Wasserbomben werfen und Matschkuchen backen.
Aber das geht erst, wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin.“

Jannis – Hannes- Hans guckt erstaunt: „Ach, das ist deine Arbeit? Ich dachte, du spielst am Computer.
Na, das mach ich aber nicht, wenn ich groß bin!“
Auf meine Frage, woher er dann Geld bekommt, zum Essen einkaufen und so, schüttelt er nur den Kopf.
Er brauche kein Geld, sagt er überzeugt.
Weil er nämlich einen Garten hat und nur Gemüse isst. Einen Bauernhof will Jannis-Hannes-Hans später haben.
Für Gemüse. Aber auch mit Tieren und so. Zum Streicheln und lieb haben.
Das klingt gut. Find ich toll.
Und da er erst 4 aber fast 5 ist, verrate ich ihm nicht, dass ein Bauernhof auch Geld kostet.
Das ist Erwachsenenmist.

Jannis-Hannes-Hans erzählt so begeistert von seinem TierGemüseBauernhof
– mit ganz vielen Kindern und Pferden und Häschens, einem ganz lieben Hundi, vor dem niemand Angst hat –
dass ich da sofort hin möchte.
„Darf ich da auch mitmachen, auf deinem Bauernhof?“ frag ich ihn.
Jannis-Hannes-Hans nickt.
Da klinkt sich Korbinian wieder ein: “ Was kannste denn? Auf unserem Bauernhof muss man etwas können,
sonst darf man da nich mitmachen!“
Halt! Wieso denn jetzt UNSER Bauernhof? Aber Jannis-Hannes-Hans nickt wieder. Ohne Korbinian geht es nicht.
Der ist sein Freund. Ohje, nun wird‘s eng.
Wie überzeuge ich einen welterfahrenen, angehenden Zweitklässer von meinen Fähigkeiten?
Was kann ich denn eigentlich? Mit Rechnen komm ich hier nicht weit,
außerdem kann ich das jetzt auch nicht soooo besonders gut.
Aber vielleicht…ähm…ich kann…
Mist, mir fällt überhaupt nichts Beeindruckendes ein.
Jannis-Hannes-Hans versucht, mich zu retten: „Kannste reiten? – Nein.
Kannste… Kuchen backen? – Auch nicht besonders gut.
Kannste basteln oder Holz hacken? – Nee, auch nicht.“
Jetzt gucken wir beide traurig vor uns hin.
Schon blöd, wenn man so gar nix kann!
Korbinian verleiert die Augen: „Irgendwas musste doch können!“
Ich strenge mich an beim Nachdenken. Hach, ja, das ist es!
Ich kann tolle Geschichten erfinden. Und Vorlesen. Und ganz prima mit Tieren reden.
Jannis-Hannes-Hans freut sich!
Glück gehabt!
Die beiden stimmen meinem Umzug auf den Bauernhof zu. Müssen aber erst noch Joda, Jolin und Emily fragen.
Die machen nämlich auch mit! Ich stelle mich auf knallharte Nachverhandlungen ein.
Aber nein, eine Tüte vegane Gummibärchen und das Versprechen, jeden Abend Geschichten zu erzählen, reicht.
Und das Obst vom Baum holen soll ich. Weil ich groß bin, aber nicht erwachsen.
Hach, ich freu mich. Am liebsten würde ich sofort umziehen. Aber das müssen wir verschieben.
Meine Mittagspause ist vorbei. Und jetzt muss ich einfach mal noch ein bisschen rechnen.


*

Kennt ihr die legendäre Frank- Schöbel- Scheibe *Kommt, wir malen ein Sonne*?
Die Hitpladde meiner Kindheit:
Da ging es um schöne Ferien, manchmal recht doofe Große, Indianer, Zusammenhalt
und darum, mal nicht brav zu sein, also auch mal ein Loch in der Hose zu riskieren.
Heute kam mir dieser RiskiermaleinLochinderHose- Song plötzlich in den Sinn, als ich zum Fenster hinaus starrte.
In den regengrauen Himmel, der ja eigentlich nicht mehr regengraunass sein sollte.
Och menno, ich habe keine Lust auf Bus! Nicht schon wieder! Also habe ich es riskiert.
Nein, kein Loch (ich habe sowieso in jeder Hose modische Löcher!), sondern eine nasse Hose, ein nasses Shirt,
nebst Schlüppi, nasse Haare – kurz und gut ’ne ganze, nasse Winnie hab ich riskiert.
Ich summte:‘ … Riskier‘, riskier‘, riskier‘ mal ein Loch in der Hose
Probier‘, probier‘, probier‘ mal ’nen Streich
Wir hau’n dich nicht gleich, hau’n dich nicht gleich…“
vor mich hin und sprang rauf auf den Seppl.
Gestern hatte ich ja auch noch den Facebook- Deal mit dem Regengedicht von Hesse gemacht.
Konnte also nur gut gehen. Erst sah es aber nicht so aus. Tröpfelnd sprühte mir der Regen ins Gesicht.
Ihhh, wie unangenehm. Aber Umdrehen ist keine Option. Punkt.
‚Sei nicht so eine WeicheiWinnie!‘, sagte ich mir, ‚ist doch nur Sommerregen.‘
Okay, bei 16,5 Grad fühlt sich der nicht sonderlich sommerlich an.
Aber schwöre ich nicht immer auf meine blühende Fantasie?
Da sind doch warme Gedanken und die Vorstellung einer dampfenden Tasse mit heißem Tee ein Klacks für meine Vorstellungskraft.
Ohje…bloß nicht schlapp machen!
Ich grinse schief mit erhobenem Kopp den Regentropfen zu und summe das Lied mit dem Loch in der Hose.
Nach 7 Kilometern sprüht es immer noch vor sich hin. Es ist auch immer noch unangenehm im Gesicht.
Aber ich habe meine geheime Superkraft entdeckt: So schnell strampeln, dass die Klamotten nicht nass werden.
Fast nicht. Vom Helm tropft es. Mir gegenüber stehen die Menschen gedrängt im Bushäuschen.
So ein bisschen liebäugele ich auch damit. Kurzer Blick auf den Fahrplan.
In 10 Minuten könnte ich trocken ins Büro fahren. Mit dem Bus. Aber bis zur Abfahrt stehen Seppl und ich im Regen. Weil sich ja im Wartedingens schon so viele Menschlein stapeln. Da können wir auch weiter fahren.
Außerdem will ich das wirklich? Aufgeben?
Nöööööööööööööööööööööööhööööööööööööööööööööööööööö!
Nicht wegen dem bissel Regen.

Nach nur 35 Minuten radele ich in unseren Hinterhof.
WOW, das war schnell heute. Allerdings sieht meine Kehrseite auch entsprechend aus.
Darauf weist mich mein kleiner Freund Jannis-Hannes-Hans (ich verstehe seinen Namen jedesmal anders) hin.
Und erklärt mir auch gleich, das kommt, weil ich keine SCHMUTZbleche hab.
Die heißen nämlich so, weil der PoPo dann bei Regen nicht schmutzig wird.
Das leuchtet mir ein. Aber ich finde schmutzige Popos jetzt auch nicht so schlimm.
Ich sitze ja den ganzen Tag darauf und es sieht niemand.
Das wiederum leuchtet Jannis- Hannes- Hans ein.
Noch ein kurzes Geplänkel über Pfützenraserei und Regenspaß im Sommer,
dann kommt der Papa zwecks Wegbegleitung zum Kindergarten.
Er begrüßt mich mit den Worten:
„Ach, du bist die Wetterfrau. Guten Morgen!“


Häh? Wetterfrau? Das möchte ich dann doch genauer wissen.
Soviel Zeit muss sein. Und es ist wirklich ganz einfach:
Jannis-Hannes-Hans und ich kennen uns jetzt seit genau drei Wochen. Solange sitze ich in meinem neuen Büro.
Jannis-Hannes-Hans sitzt manchmal auf der Papiertonne vor meinem Fenster und wir unterhalten uns.
Über Straßennamen, wie den Sonnenweg zum Beispiel. Ob dort immer die Sonne scheint.
Über Sachen, die man im Müll findet.
Warum Große manchmal Kopfschmerzen haben. Dann teilen wir uns Müsliriegel und Gummibärchen.
Zu Hause hat er dann von mir erzählt: von der Frau mit den Himmelshaaren und Sonnenstrahlenpullover,
die im Sonnenweg wohnt und immer Gummibären zum Teilen da hat.
Kurz wurde daraus eben die Wetterfrau.
Ich lache laut los. Wetterfrau mit Himmelshaaren und Sonnestrahlpullover!
So sehe ich also aus Sicht eines Vierjährigen aus.

Deshalb unterhalte ich mich so gern mit Kids.
Die haben so eine geniale Weltansicht. Und hauen sie einfach raus.
Von Wetteranfragen bitte ich aber trotz meines neuen Namens abzusehen.