Was ist denn plötzlich mit mir los? Oder – wie mich ein Girl crushte

Wir schreiben das Jahr 1986.
Ich bin 13.
Ich erinnere mich noch gut daran.
Ich hatte gerade unfreiwillig die Schule wechseln müssen
und hasste die ganze Welt.
In genau dieser Stimmung sah ich „Cinderella 80“ .
Mich traf ein Schlag. Ich war voll verknallt!
Nicht etwa in Mizio, den blauäugigen Prinzen mit zerrissener Jeans!
OH NEIN!
Bonnie Bianco schlug wie ein Meteorit in mein Teenie- Herzchen.
Die Filmhandlung war ja eher mäßig, aber der Style und die Stimme von “Cindy”!
Ich war hin und weg.
Kopierte den Klamottenstyle. Trug meine Uhr rechts. Und begann zu singen.
Still und heimlich. Nur für mich.
Ich übte diese *Miristallesscheißegal* – Einstellung vor’m Spiegel
und kam mir unheimlich cool vor.

Kurz nach meinem 14. Geburtstag verknallte ich mich wieder.
Wieder eine Filmheldin: Vic aus La Boum – Die Fete.
Ich wollte so sein wie sie.
Als der Film im Fernsehen wiederholt wurde, nahm ich ihn auf.
Nicht mit einem Videorekorder (so etwas gab es noch nicht),
sondern mit Kassettenrekorder und Mikrofon.
Ich hörte mir die Dialoge wieder und wieder an. Übernahm den Slang. Trug eine ähnliche Frisur.
Eine Schulmädchenschwärmerei ohne Hintergedanken.
Ich habe das einfach ausgelebt und genossen.

Zwei Jahre später mit ca. 16 verknallte ich mich wieder.
Natürlich in eine Filmrolle.
*Himmlische Körper – Aerobic nonstop*
Ein eher seichtes Tanzfilmchen über eine alleinerziehende Mama, die sich einen Traum erfüllt,
die große Liebe findet und ein Dancebattle gewinnt.
Die Hauptdarstellerin Cynthia Dale hatte in ihrer Rolle als Samantha Blair eine so tolle Ausstrahlung.
Das riss mich voll mit.
So wollte ich sein. Optimistisch. Empathisch. Kämpferisch. Niemals aufgeben.
Etwas war diesmal anders. Vielleicht, weil ich nicht allein war.
Ein Mädchen aus meiner Parallelklasse und ich schauten uns den Film fünfundzwanzig Mal im Kino an. Dafür mussten wir durch den ganzen Bezirk Halle pilgern. Das machte uns zu Freundinnen.
Dieses glücksverkribbelte Gefühl, wenn die Musik losging, werde ich nie vergessen.
Wir hielten uns an den Händen und haben uns anderthalb Stunden weggebeamt.
Jahrelang habe ich nach diesem Film gesucht und ihn vor ein paar Jahren bei einer dänischen Firma gefunden. Wenn ich mal wieder an mir zweifle, schaue ich mir den Film an.
Dieses Glückskribbeln beim Anschauen ist immer noch da…

1988

Dass mir ein Girlscrush in meinem Erwachsenenleben passieren könnte,
damit hätte ich echt nicht gerechnet.
Schließlich war ich mittlerweile fast halbhundertjährig.
Seit Jahren verliebt in einer festen Beziehung.
Und eigentlich glücklich.

Ein Girlscrush ist
“…diese leidenschaftliche Verliebtheit, die eine heterosexuelle Frau für eine andere Frau entwickelt, die unglaublich raffiniert, begabt, schön oder vollendet erscheinen mag. Und während ein Girlscrush seiner informellen Definition nach nicht sexueller Natur ist, ähneln die Gefühle, die er auslöst

– Aufregung, Nervosität, ein Gefühl der Neuheit – sehr denen, die eine Romanze begleiten.
Dies ist kein neues Phänomen. Frauen, besonders junge Frauen, haben schon immer solche Gefühle der Anbetung füreinander empfunden. Sozialwissenschaftler vermuten, dass solche Emotionen Teil der Natur der Frau sind, Gefühle, die die Evolution möglicherweise begünstigt hat, weil sie Frauen geholfen haben, sich miteinander zu verbinden und kooperativ zu arbeiten.

Neu ist die Bereitschaft der jetzigen Generation, ihre Begeisterung offen auszudrücken”*

Meist dauert ein Girlscrush nur ein paar Tage oder Wochen.
Aber manchmal (in besonderen Situationen) kann es auch schmerzlich werden:


2016 veränderte sich mein Leben gravierend.
Das Freyerlein zog aus.
Meine gut verdrängten Glaubenssätze bahnten sich
– am Zöpfchenzwerg vorbei –
ans Licht und ließen mich keine Nacht richtig schlafen.
Zeitgleich verabschiedete sich meine beste Freundin so langsam aus meinem Leben
und ich verlor meinen Job.
Klingt nach Totalschaden, nicht wahr?
War es auch.
Ich habe nicht gelernt, meine Gefühle zuzulassen.
Deshalb funktionierte ich einfach weiter und lachte meine Angst weg.
Schließlich war ich die Starke, die Zuhörerin und Verständnisvolle.
Die, die immer gutgelaunt war und nie Probleme hatte.
Ich musste den Kopf frei bekommen und fuhr übers Wochenende in eine Großstadt.
Mit einer Freundin. Wir gingen fast spontan auf ein Konzert.    
Da ist es passiert…
             
Die Künstlerin haute mich um. Ich habe so etwas vorher noch nie erlebt.
Alles um mich herum war schwarz-weiß. Nur sie und ich in bunt. Ich war total verzaubert.
Von ihrer Art. Ihrem Style. Ihrer Stimme. Ihren Texten.
Ich fühlte jeden Song, verband die Texte mit meinen Erinnerungsfetzen.
Es war, als ob wir uns schon ewig kennen.
Ich wollte alle Songs immer und immer wieder hören. Auf noch mehr Konzerte fahren.
Ich schlief nachts auf der Rückfahrt im Zug,
um Urlaubstage zu sparen und morgens rechtzeitig wieder im Büro zu sein.
Ich wollte ihr Fan sein, mit ganzem Herzen.
Als Corona begann, war ich unendlich traurig. Keine Konzerte mehr. Kein DurchdieWeltreisen.
Stattdessen Homeoffice und Socialdistancing.
Aber wir blieben in Verbindung.
In dieser Zeit waren wir auf Augenhöhe. Miteinander verbunden.
Und das crushte mich endgültig.
Ein Girlscrush. Wie früher. Nur eben diesmal kein Filmstar. Keine Filmrolle.
Sondern jemand real Echtes.
So ein Girlscrush kann inspirierend sein.
Dich zu völlig neuen Horizonten bringen.
Meine Welt wurde bunter.
Und ich immer offener, lockerer.
Ich las viele Bücher. Besuchte online Empathie – Seminare, hörte Podcasts.
Besiegte so langjährige Ängste und wandelte alte Glaubenssätze um.
Voller Dankbarkeit wollte ich ihr etwas zurückgeben.
Genauso wertvoll für sie sein, wie sie es für mich war.


Da habe ich mich dann ziemlich hineingesteigert. Sie auf einen Sockel gestellt. Und mich klein gemacht.
In einem meiner Lieblingsbücher Frauen schulden dir gar nichts von Florence Given

wird das so beschrieben:

Ich verstand nicht, was mir da passierte.
Und es war mir höchst peinlich.
Deshalb konnte ich meine Gefühle auch gar nicht richtig beschreiben.
Und weil sie nicht in mein anerzogenes und tief verwurzeltes Weltbild passten:
Eine Hetero- Cis- Frau in einer festen Beziehung verliebt sich nicht in eine andere Frau!
So!
Dabei hat das Eine mit dem Anderen gar nichts zu tun.
Es fühlte sich zwar an, wie verliebt sein.
Aber eigentlich ist es viel mehr.
Ein Gefühl der Bewunderung, einem SichinderAnderenerkennen
und einer tiefen Verbundenheit.
Soulsister hat sie mich immer genannt, und ich glaube, das traf es genau:
Sie ist für mich wie die kleine Schwester, (die ich mir immer gewünscht habe),
der ich aus der oberen Etage des Doppelstockbetts versuche, die Welt zu erklären,
um dann zu erkennen, sie ist eigentlich die mit dem Durchblick und ich kann von ihr lernen.
Ich hätte mich gern darüber ausgetauscht. Aber wenn wir uns sahen, redete ich nicht.
Aus Angst, dass sie nicht verstand, was ich selbst nicht verstand.
Es fühlte sich an, als habe ich mich in meinem Gefühlschaos verlaufen wie in einem Labyrinth.
Im April gab es ein Gespräch.
Seitdem bin ich still. Weil ich wieder nicht reden konnte. Und tief verletzt bin.
Sie fehlt mir. Ich vermisse es, ihr schreiben zu können. Und ihre Sprachnachrichten.
Es ist, als schaue ich nur noch vom Rand aus zu.
Und irgendwann werde ich vielleicht vergessen sein.
Nicht einmal mehr eine Erinnerung. Das finde ich sehr schade.

Aber ich bin auch erleichtert. Und so langsam finde ich wieder zu mir selbst.
Weil ich auch vergesse, obwohl ich das nicht will.
Das Leben läuft halt nicht immer so, wie man es sich zurecht träumt.
Das tut weh, geht aber vorbei.

„Manchmal ist ein Crush in eine Frau jedoch so stark, dass das Objekt der Zuneigung unruhig wird und die Möglichkeit einer Freundschaft zunichte gemacht wird.“ *

So etwas passiert also auch. Laut einem Artikel der
–>New York Times*<–
ist diese Phänomen nicht einmal selten.
Es redet nur keiner darüber.
So wie ich bisher.
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*
Girlscrush

Ich bin wieder okay
mit mir selbst
es tut nicht mehr weh
und irgendwie
ganz tief drinnen
bin ich okay
auch mit dir

es wird Rückschläge geben
schließlich wurde mein Herz zerfetzt
in tausend Teile zerdeppert
hab’s mühsam wieder zusammengesetzt

Ich war mit dir verbunden
wollte dir zeigen, wie wichtig du bist
jetzt ist mein Vertrauen verschwunden
in mich und meine Gefühle
in der Leere dieser tiefen Stille

zwischen uns versteckt

Du hörst auf die anderen.
die sagen, es ist zu viel,
du stimmst ihnen zu.
Unterdrückst du dabei dein Gefühl?
Bist du sicher, dass es wirklich richtig ist,
was die anderen sagen,
sie kennen mich doch gar nicht?!

Ich hab es nicht verstanden,
aber akzeptiert
und hoffe nur, dass mir so etwas
niemals wieder passiert.

Ich habe dich verloren
aber mich zurück gewonnen,
bin unsicher, was ich fühle
Angst. Trauer, Wut.
Mein Vertrauen und die Spontanität

sind verschwunden
sie wieder zu finden,

erfordert meinen ganzen Mut.

Ich hab mich gefreut,
hab um uns geweint,
doch nun ist es vorbei
noch nicht ganz einerlei
aber bald
ist es nur noch eine nette Erinnerung,
eine Mischung aus damals und weißtenochs

Als wir uns sahen, dacht ich,
DU wärst die Eine

– so wie eine Schwester, ein bester Freund –
doch nun weiß ich, es war alles nicht echt,

sondern nur geträumt…
*






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